Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Bulgarien
< zur nummer 22

 


Foto: StadtAW, Lichtbildstelle

Foto: Achim Schollenberger

Glühend verehrt

Trockene Bemerkungen zu einem heißen Thema

von Louis Polt

Gesichtslos starren die beiden Skulpturen hinüber zum Kiliansbrunnen. Entthront und scheinbar vergessen, stehen sie von niemandem beachtet seit 42 Jahren im Wäldchen auf dem kleinen Hügel hinter dem Taxistand am Bahnhof. Als stilisierte Siegesgaben, gehörten sie einmal, rechts und links auf hohen Säulen platziert, zum 1901 begonnenen und 1903 enthüllten Luitpold-Denkmal im Ringpark. Zum 80. Geburtstag stifteten die Würzburger ihrem »Poldi« das Bauwerk, schließlich hatte der ihnen sechs Jahre zuvor, 1895, den Brunnen auf dem Bahnhofsvorplatz spendiert. Die Bürger wiederum hatten Prinzregent Luitpold ein weiteres Jahr vorher mit dem Frankonia Brunnen vor seinem Geburtshaus, der Residenz gehuldigt. Es herrschte ein fröhliches Hin- und Herschenken zu jener Zeit und irgendwie erinnert das an die berühmten Worte eines noch lebendigen Kaisers: »Joa, is denn heut scho Weihnochten?«

Leider ereilte den drei Meter und 20 Zentimeter großen Regenten aus Bronze auf seinem Denkmal 1943 ein bestürzendes Schicksal. Demontiert vom Sockel und bereit zum Transport, sollte er eingeschmolzen werden. Und wie eine historische Fotoaufnahme zeigt, stand der vom benachbarten Brunnen heruntergeholte Kilian, ebenfalls aus verführerisch-nützlichem Material, gleich daneben. Puuh! Zwar tauchte der abmontierte Monarch nach dem Krieg schwer demoliert auf einem Hamburger Schrottplatz wieder auf, doch der klägliche Rest von »Poldi« taugte bestenfalls noch für eine Büste. Offensichtlich war ihm aber das Schicksal nicht gnädig geneigt, ganz im Gegenteil zum dem in nicht minder glühender, aber weitaus weniger dahinschmelzender Form verehrten Franken-Heiligen. Deshalb darf dieser, ganz im Gegensatz zu seinem fast gänzlich entsorgten Stifter Luitpold, heute, wenn auch durch Holzbalken gestützt, für Wirbel auf seinem maroden, 111 Jahre alten Brunnen sorgen.

Über ein und eine halbe Million Euro soll dessen Instandsetzung kosten, ein paar tausend sind für die Untersuchung des Bauwerkes bereits den Bach hinuntergegangen, obwohl der Brunnen vor den Bahnhofstoren schon seit Jahren trocken ist. Ein fürwahr stolzer Betrag ist da für die Renovierung und Konservierung mittels in Kunstharz getränkter Steine eingeplant, den freilich nicht die Stadt stemmen muß, sondern der Bauherr der Würzburg Arcaden mfi, der wohl willig ist, aber irgendwie nicht zahlen darf. Ein paar Stadträte hätten ob des »Geschenks«, wenn es denn überhaupt eins wäre, Bedenken. Wegen eines »Geschmäckle«, hört man. Was verwundert, gehört Würzburg doch seit bald 200 Jahren zu Bayern und nicht zum angrenzenden Baden-Württemberg und außerdem ist sowieso bei jedem Kuhhandel nachher die schmackhafte Schlachtplatte fällig. Irgendeiner wird die schon bezahlen.

Die Damen und Herren Räte sollten sich mal ein Beispiel am guten, alten Luitpold nehmen: Schenken macht Freude und Freunde, und schließlich schaut man einem geschenkten Brunnen nicht auf den Grund. Auch wenn kein Wasser drin ist. Angesichts der großen Summe stellt sich aber dem sich in der freien Wirtschaft mühenden Kulturschaffenden doch die Frage nach dem Sinn und vor allem der Verhältnismäßigkeit. Mit so viel Geld könnte man die gesamte Würzburger Kulturszene für Jahre üppig fördern und lebendig halten und dazu noch die nie versiegende, ganz im Gegensatz zu manchem Brünnlein, Finanzmisere des Mainfranken Theaters eindämmen. Oder das Museum im Kulturspeicher für die kommenden 100 Jahre wieder mit einem Ankaufsetat ausstaffieren.

Man könnte auch, wie dies bei den Riemenschneider-Figuren an der Marienkapelle praktiziert wurde, das Denkmal durch eine Kopie ersetzen. Die muß gar nicht so perfekt sein, das merkt eh keiner, da man den Rasen rund um den Brunnen wahrscheinlich nicht betreten darf wegen zu hoher Wartungskosten desselben. Und ob die Rückseite eines Kilian in zehn Meter Höhe echt oder kopiert ist, dürfte jedem Durchreisenden der Deutschen Bundesbahn, der mal kurz Luft schnappen geht, wurscht sein, genauso wie ein Shoppingcenter oder die Würzburger Innenstadt.
Schließlich könnte ein Brunnen, der angesichts der Sparwelle höchstwahrscheinlich nicht sprudeln wird, auch an anderer Stelle, im Hof eines Museums beispielsweise, als bepflanztes Blumenbehältnis einen würdigen Platz finden. Obwohl hier die Finanzierung nicht gesichert scheint, hat doch die Stadt bereits vor Jahren aus Kostengründen alle »offiziellen« Blumenkübel als zu teuer eingestuft und ausgemustert. Ein Großteil des nach der Brunnenumsiedlung verbleibenden Restgeldes müßte hier zweifelsfrei in die Bewässerung der eingepflanzten Riesenstiefmütterchen fließen. Oder man könnte auch, aber nein, das scheint für den barocken Zeitgeist dieser Stadt wohl doch zu gewagt, auf dem neuen Bahnhofsvorplatz die Gelegenheit nutzen und den Weg in die neue Zeit beschreiten, vielleicht gleich dem Louvre in Paris und dessen Eingangspyramide, eine moderne, begehbare Skulptur gewissermaßen ins Auge fassen. Die wäre zwar nicht das Tor zur Welt, aber immerhin käme man unterirdisch zu den Bahngleisen. Vielleicht vorbei an einem kleinen, musealen Schaufenster hinter dem die alte Bewässerungstechnik des ehemaligen Brunnens zu bestaunen wäre. Alles dürfte deutlich billiger kommen. Dazu brächte man heimische Künstler und Handwerker ins Boot und Brot.

Der Rest vom Luitpold-Denkmal wurde übrigens 1964 »abgetragen«, wie es elegant heißt. Allerdings gab es über die zurückgeholte »Schrottplatz-Büste« des Verehrten reichlich Disput im damaligen Stadtrat. Wie in der Presse im November des gleichen Jahres zu lesen war, wandten sich die Sozialdemokraten strikt gegen eine »Prinzregent Luitpold Renaissance« mit dem geradezu kühnen, modernen Gedankengang »es fehle dem Regenten die für die heutige Generation staatsmännische Aussagekraft, welche erforderlich wäre, um ihm 1964 noch einmal ein Denkmal zu setzen«. Erfurcht ergreift einen vor so viel Weit- und Einsicht. Damals war man dazu offensichtlich nicht zimperlich. Zeit vorbei, Ende. Schwamm drüber. Nur geht das heute nicht mehr so einfach angesichts der steigenden Wasserkosten. Höchstens trocken pudern. Und ohne Quittung schon gar nicht. Und nicht mit Kilian. Immerhin kann das »Kind« relativ gefahrlos in seinen Brunnen ohne Wasser fallen. Für ein ramponiertes Aussehen und blaue Flecken bei einer harten Landung reicht’s aber allemal.

Und der arme Luitpold? Der blickt nun gütig, vom Volk vergessen, an seiner Säule auf der Zellerauer Seite der Luitpold-, Verzeihung: der Friedensbrücke herab auf den Autoverkehr und die Straßenbahnschienen. Immerhin, da fließt etwas. Und obwohl täglich Tausende an ihm vorbeiflanieren, schaut kaum einer zu ihm auf. Das Leben ist ungerecht, es geht einfach weiter. ¶

 


Vorschlag unsererseits:
Die Stadt Würzburg belebt passend zur Weihnachtszeit die Luitpoldianische Tradition des Schenkens und bedenkt jeden Bürger der Stadt mit einem Kiliansbrunnen-Bastelbogen im Maßstab 1:500.

Jeder Bürger hat so in Bälde seinen persönlichen, garantiert pflegeleichten Brunnen im Bücherbord oder auf dem Beistelltisch zu Hause. Wer will, kann das fertige Modell auch in Gießharz für die Ewigkeit haltbar machen. Jeder Bürger schenkt dann der Stadt, als Gegengabe sozusagen, 5 Euro.

Mit dem geschenkten Geld wird eine schützende Klarsichthülle für den echten Kiliansbrunnen, der im jetzigen Zustand verbleibt, finanziert. Dieser wird programmatisch zu einem konzeptionellen Kunstwerk mit dem Titel, »Und an allem nagt die Bahn der Zeit« erklärt. Er wird so zum mahnenden Sinnbild der Vergänglichkeit und der verrinnenden Zeit, was auch abgehetzte Zug-Reisenden zum Innehalten veranlassen könnte.

Zusätzlich gibt es für gutbetuchte Brunnenbegeisterte die auf 333 Exemplare limitierte Miniaturausgabe des Brunnens als Vogelbad im Maßstab 1:50 in den Ausführungen Luitpold (Goldbronze) und Kilian (Edelstahl) zum geschenkten Preis von 10 000 Euro das Stück. Das wetterbeständige, von heimischen Künstlern in Handarbeit gefertigte Schmuckstück ist freiplatztauglich und wird so zur Zierde jeder Gartenparty ganz im Sinne des spendablen Prinzregenten.