Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Bulgarien
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Short Cuts & Kulturnotizen

Unlängst – Gerade soeben – Demnächst!
Was nicht dem Vergessen anheim fallen sollte – eine ganz subjektive Auswahl der Redaktion, nicht minder subjektiv kommentiert.


16. November – Milchhof

Die Milchhof-Betreiber haben aus der Not eine Tugend gemacht und führen nach Umbau und Umstrukturierung von Wohn- und Arbeitsfläche nur noch den ehemaligen Vorraum als Veranstaltungsort fort. Das scheint aber die genau richtige Entscheidung gewesen zu sein, denn in dem kleinen Raum, der mit zehn Besuchern bereits den Status »rammelvoll« erreicht, kommt die Depression, die sich andernorts schnell einstellt, wenn gr0ße, teilweise über hundert Leute fassende Räume ebenfalls nur von zehn Besuchern frequentiert werden, gar nicht erst auf – und noch das ungewöhnlichste Nischenprogramm findet ein Podium.
So auch an diesem Donnerstag, als Giancarlo Nannini einen Einblick in sein Archiv gewährte (Auswahl von Thomas Bieber): An der Wand oben ein Super8-Film links, eine Diaschau rechts, darunter und am Boden (unter Glas, also begehbar) die (Stand-)Bilder, aus denen der Film zusammengesetzt war. Aus den frühen 1980er Jahren stammen die Ausschnitte, die Nanninis Malerei und seine Beschäftigung mit den (damaligen) Möglichkeiten des Films dokumentierten. Die Anfangssequenz zeigte einen männlichen Hintern bei der Erfüllung seiner primären biologischen Aufgabe (allerdings lief die Sequenz rückwärts), danach folgten Bilder und ihre Metamorphosen (Übermalungen bzw. gleiches Motiv mit anderem Abstraktionsgrad), bei denen im Mittelpunkt immer der Mensch steht – wenn auch zumeist in einer Einsamkeit gefangen, die fast schon melancholisch stimmte. Auch die Erotik schwang als Unterton immer mit, wenn auch nicht in ihrer geleckten, hyperstilisierten Spielart, sondern als Beiläufigkeit, mit Blut, Schweiß und Tränen garniert. (jk)

www.milchhof.com


21. November – Jugendkulturhaus Cairo

Die rhythmische Urgewalt des Schlagzeugs verknüpfte Drummer Jan Philipp Janzen mit den dem Instrument gleichermaßen innewohnenden Qualitäten als solistischer Melodieträger. Man muß ja wirklich nicht die alten Geister beschwören, aber was allein Janzen in knapp 80 Minuten auf den Tanzboden des Cairo bretterte, erinnerte durchaus an die stoischen Energieausbrüche eines Keith Moon. Aber damit hier keine falschen Assoziationen entstehen: was Gesang-, Gitarren- und Elektronikpartner Georg Brenner an vertrackten, verschnörkelten, filigranen und kunstvollen, dann wieder dynamischen und kraftvoll-geradlinigen Songstrukturen darüber-, darunter- oder mittenhineinzaubert, ist avantgardistischer Indie-Noise vom Feinsten und ganz und gar auf der Höhe der Zeit. Als Urlaub in Polen sind die beiden Kölner, beim Auftakt ihrer diesjährigen Tournee im Cairo verstärkt durch zwei Live-Vokalistinnen, in der Tat die vermutlich eigenwilligste deutsche Band der Gegenwart: Anarchisch, kraftvoll, verspielt, elegisch und elektrisierend zugleich – schon jetzt der Höhepunkt dieser Konzert-Saison! (maz)

Bisher sind drei Tonträger erschienen: »White Spot«, »Parsec« und neu: »Health and Welfare«.
www.u-i-p.net oder www.raketemusik.de


29. November – Saal der Fischerzunft: Jahreshauptversammlung der Leonard-Frank-Gesellschaft

Im Amt bestätigt wurden Christiane Koch und Hildegard Poschet, als erste und zweite Vorsitzende der Leonhard-Frank-Gesellschaft bei der diesjährigen Hauptversammlung. Nach einem Kurzüberblick über den Inhalt des Heftes 16 der Schriftenreihe (»Der wandernde Schreibtisch. Erfahrung, Bewältigung und Folgen des Exils bei Leonhard Frank, Soma Morgenstern und Max Zweig. Ein Vergleich«) durch die Autorin Sulamith Sparre war der inhaltliche Schwerpunkt des Treffens die Planungen für das Leonhard-Frank-Jahr 2007. Aus Anlaß des 125. Geburtstages des am 4. September 1882 in Würzburg geborenen Schriftstellers koordiniert der Fachbereich Kultur der Stadt Würzburg in enger Kooperation und mit konzeptioneller Beratung durch die Gesellschaft eine umfangreiche Veranstaltungs- und Ausstellungsreihe zu Leben und Werk Leonhard Franks. Beteiligt an diesem umfangreichen Unternehmen sind ca. zehn städtische und freie Kulturinstitutionen, zur Zeit sind etwa 15 Einzelaktivitäten in Vorbereitung. Das ausführliche und vollständige Programm wird im Januar der Öffentlichkeit vorgestellt. (maz)

www.leonhard-frank-gesellschaft.de


9. Dezember – Mensa der TU, München

Für die ganz Spontanen sei hier noch auf des Festival für Experimentelle Musik in München hingewiesen, das auch in diesem Jahr wieder stattfindet und über das wir bereits in der nummerdreizehn ausführlich berichtet haben. Die Teilnehmerliste läßt wieder einiges an Abenteuern für Gehör und Gehirn erwarten: Paul Panhuysen, Seiji Morimoto, René Bastian, Dieter Schnebel, Hans Rudolf Zeller, Boris D. Hegenbart-Matsui, Jörg Burkhard, Limpe Fuchs & Andreas Eckenberger / Ida Machackova / Bettina Raithel / Gundis Stalleicher, Gerald Fiebig / Gerhard Zander, das PHREN-Ensemble, Ardhi Engl / Oliver Hein / Ko Rüchardt sowie Edith Rom / Stephan Wunderlich.
Das Festival findet am Samstag, den 9. Dezember, von 20–2 Uhr statt in der TU-Mensa, Arcisstraße 17 in München. (jk)

www.experimentelle-musik.info


10. Dezember, 17 (!) Uhr – Wortraum Winterhausen

Helmut Haberkamm schreibt in Mundart – und ist doch viel mehr als ein Mundartdichter. Der am ersten Adventssonntag des Jahres 1961 im Dorf Dachsbach im mittelfränkischen Aischgrund geborene Erzähler, Lyriker, Bühnenautor und Essayist, gleichermaßen bekennender »Club-« und Bob Dylan-Fan, liest am zweiten Adventssonntag des Jahres 2006 im Dorf Winterhausen im unterfränkischen Maintal unter dem Titel »Hohe Nacht der klaren Sterne« alte und neue Texte. Das Aufwachsen und die Kindheit auf dem elterlichen Bauernhof sind die Wurzeln dafür, daß die Aischgründer Mundart dieser Karpfen- und Krengegend für ihn zur ersten, eigentlichen und wahrhaft eigentümlichen Sprache wurde. Sie ist »persönlicher, intimer, konkreter, spontaner, direkter als das Hochdeutsche …« Einer Landschaft wie dem Aischgrund oder Franken wird man mit den Mitteln des Hochdeutschen niemals wirklich gerecht. (maz)

www.wortraum-winterhausen.de


19. Januar 2007, 20 Uhr – Jugendkulturhaus Cairo

Mit Thomas Venker und Felix Klopotek sind an diesem Abend zwei der interessantesten und wichtigsten Vertreter des deutschsprachigen Musikjournalismus zu Gast im Cairo. Felix Klopotek ist über seine Arbeit als Musikredakteur der Kölner StadtRevue hinaus bekannt als Autor für Testcard, Intro, Jungle World, Konkret und den WDR. Thema seines Buches »How they do it« (erschienen 2002 im Ventil-Verlag) sind die Wurzeln älterer musikalischer Avantgarden – Free Jazz, Neue Musik, Improvisationsmusik – und die Überprüfung ihrer Tauglichkeit auf heutige Formen dissidenter musikalischer Praxis. Dabei löst sich der Vortrag von den Buchtexten und sucht sich auch anhand von Hörbeispielen ständig aktuelle musikalische Themenfelder.
In seinem Essayband »Ignoranz und Inszenierung. Schreiben über Pop« gibt Thomas Venker einen Einblick in die alltägliche Arbeitspraxis des Musikjournalismus. Er macht seine Thesen an ganz konkreten Arbeitsbeispielen fest, vor allem an Interviews mit Größen der Popwelt der letzten zehn Jahre, und zeigt daran auf, wie dieses »Geschäft läuft, welchen Sachzwängen es unterworfen ist, und wie es dennoch möglich ist, im Popbusiness eines Rest von Unabhängigkeit, Begeisterung und Widerstandsfähigkeit, also: Würde, zu bewahren«. Würdigen wir diese Veranstaltung mit unserem Besuch! (maz)

www.kommkuessen.com


25.–28. Januar – 33. Internationales Filmwochenende

Bereits begonnen hat der Vorverkauf der Mehrfachkarten des 33. Internationalen Filmwochenendes. Neben den eingeführten Stellen Akademische Buchhandlung Knodt, Buchladen Neuer Weg und Schöningh am Hubland sind die 5er- (für 25,- Euro) und 10er-Karten (für 40,- Euro) in diesem Jahr zusätzlich im Café Centrale (Bronnbachergasse) und in der Buchhandlung 13 1/2 erhältlich. Highlights im deutschsprachigen Programm sind die neuen Filme »Slumming« von Michael Glawogger, »Lucy« von Henner Winckler und »Fallen« von Barbara Albert. Bestens bekannt ist auch der Dokumentarfilmer Andres Veiel, der persönlich seinen aktuellen Dokumentarfilm »Der Kick« vorstellen wird.
Neben den traditionellen Schwerpunktländern Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien (hier u.a. »Salvador« von Manuel Huerga mit Daniel Brühl in der Hauptrolle) richten die Programm-Macher den Fokus in diesem Jahr auch wieder auf Skandinavien, hier insbesondere Finnland. Von dort kommt u. a. der Regisseur Aku Louhimies, der seine beiden Filme »Frozen City« und »Man Exposed« persönlich vorstellt. Aus Dänemark laufen der neue Film »Nach der Hochzeit« von Susanne Bier und »Grüne Herzen« von Preben Lorentzen. Ein weiterer Blick geht nach Osteuropa mit den hierzulande weitgehend unbekannten Filmländern Bulgarien und Rumänien.
Im Dokumentarfilm-Sektor erwartet die Filminitiative mit den Regie-Duos Köhler/Baier und Loeken/Franke zwei in Würzburg bereits bestens bekannte Dokumentaristen mit ihren neuen Filmen »Der große Navigator« und »Loosers und Winners«. Daneben hat auch der Österreicher Nikolaus Geyrhalter sein Kommen angekündigt: Von ihm stammt der preisgekrönte Streifen »Unser täglich Brot«.
Zum festen und unverzichtbaren Bestandteil gehören auch in diesem Jahr Filme aus Afrika (u.a. »Zulu Love Letters«), die bewährte Nachtschiene, ein Kinderfilm-Programm für alle Altersstufen und die beliebten Kurzfilm-Blöcke. Daneben gibt es natürlich ebenfalls wie gehabt die Festival-Institutionen »Lange Nacht der Selbstgedrehten«, »Kammerflimmern«. »Trash-Film-Nacht« und »Film-Party«. Eine ausführliche Vorschau folgt in nummerdreiundzwanzig. (maz)

Aktuelle Infos unter www.filmwochenende-wuerzburg.de


Mit schöner Regelmäßigkeit gelingt es dem BBK Unterfranken, dem Bayerischen Staatsministerium seine vorgeschlagenen Kandidaten oder Kandidatinnen für den Debütantenpreis schmackhaft zu machen. Jüngste Preisträgerin ist nun Dorette Riedel, Jahrgang 1974, die in den Genuß der Auszeichnung und Förderung kommt. Die insgesamt 5 500 Euro dafür müssen allerdings zweckgebunden verwendet werden. Sie fließen deshalb in die Erstellung eines Kataloges.
Wer die jüngste Ausstellung von Dorette Riedel in der Galerie im Flur in der VHS Würzburg (zusammen mit Harald Scherer) im November verpaßt hat, kann vom 5.–28. Januar 2007 ihre Werke in der BBK Galerie im Kulturspeicher sehen. Im Rahmen des Künstlercafés am Sonntag, den 14. Januar, um 11 Uhr wird die Künstlerin Rede und Antwort stehen und gleichzeitig ihren neuen geförderten Werkkatalog präsentieren. (as)


Nicht vergessen: nummerdreiundzwanzig erscheint erst Mitte Januar 2007, rechtzeitig vor dem Filmwochenende, und nummervierundzwanzig kommt Anfang März. Danach geht es wie gewohnt monatlich weiter bis zum Sommer.
Allen Leserinnen und Lesern, Kulturschaffenden und -interessierten wünschen wir einen entspannten Jahresbeschluß und einen erfolgreichen Start ins neue Jahr 2007.